Beanspruchte Muskeln: Schulter, Trizeps, Nacken, Bauch
Schwierigkeit: Mittel bis schwer
Kontraktionsform: Dynamisch und isometrisch
Benötigtes Equipment: Langhantelstange plus Scheiben
Inhalt
Früher war das stehende Schulterdrücken mit der Langhantel die Oberkörperübung schlechthin. Dann wurde ihm vom Bankdrücken gewissermassen der Rang abgelaufen - völlig zu Unrecht! Denn das Schulterdrücken ist nach wie vor eine unverzichtbare Grundübung, die du unbedingt machen solltest. Erfahre hier, wie's geht!
Wohl keine andere Übung hat so viele Namen wie das stehende Schulterdrücken mit der Langhantel. Man bezeichnet es auch als:
- (Stehendes) Frontdrücken (mit der Langhantel)
- (Stehendes) Überkopfdrücken (mit der Langhantel)
- Press
- Military Press
- Overhead Press
- Shoulder Press
- Strict Press
Aber bleiben wir beim „Schulterdrücken“. Dabei wird eine Langhantel aus der Ruheposition vor Brust und Schultern ohne Beinbewegung über den Kopf gedrückt, bis die Arme gestreckt sind. Krafttrainings-Papst Mark Rippetoe bezeichnet das Schulterdrücken als „die beste Oberkörperübung, die es gibt“.
Diese Qualität verdankt das Schulterdrücken der Tatsache, dass es stehend ausgeführt wird und das Gewicht von den ausgestreckten Händen bis runter zu den Füssen wirkt. Es muss also der ganze Körper stabilisiert werden, was nichts anderes heisst, als dass sehr viele Muskeln – vor allem die des Rumpfes – angespannt werden und isometrisch mittrainiert werden.
Aber die stehende Position hat noch einen weiteren Vorteil: Die Kraftübertragung beginnt beim Schulterdrücken in den Füssen, denn diese haben Kontakt zum festen Widerstand, dem Boden. Beim Bankdrücken, dem anderen Klassiker für den Oberkörper, ist das anders: Dort drückt der obere Rücken gegen die Bank als festen Widerstand.
Zwar sorgt diese Position dafür, dass man beim Bankdrücken mehr Gewicht bewegen kann als beim Schulterdrücken – was natürlich sehr gut für die Kraftentwicklung und den Muskelaufbau ist. Bezogen auf die Bewegungen, die man im Sport oder (Arbeits-)Alltag macht, ist die Lage auf der Bank aber sehr unnatürlich. Wann muss man schon im Liegen etwas von sich wegdrücken? Bankdrücken ist also nicht sehr funktionell.
Ganz anders das Schulterdrücken: Hier drücken die Beine gegen den Boden, während die Arme gegen das Gewicht pressen. Das ist ein Bewegungsmuster, das sich viel enger an den Gegebenheiten „im realen Leben“ orientiert und damit sehr funktionell ist. Man denke nur das Hochreichen von schweren Gegenständen, beispielsweise auf dem Bau. Oder an all die Situationen im Sport, wenn man Leute von sich wegdrückt. Dass man da eher nach vorne oder zur Seite schiebt, ist egal - das Schulterdrücken trimmt den Körper auf jede Art von Drücken aus dem Stand.
Das Bankdrücken ist natürlich trotzdem eine super Übung, die in keinem Trainingsplan fehlen sollte. Doch den besten Mix aus Kraftaufbau und Funktionalität erreicht nur, wer dem Bankdrücken das Schulterdrücken an die Seite stellt – und zwar vom Trainingsumfang her gleichberechtigt. Das schützt übrigens auch sehr gut vor Schulterverletzungen aufgrund von muskulären Dysbalancen, die auf exzessives Bankdrücken ohne Ausgleichsübung für die Rotatorenmanschette folgen können.
Wie jede Grundübung trainiert das Schulterdrücken nicht nur einen einzigen Muskel, sondern mehrere. Am stärksten werden die folgenden gefordert:
Schultermuskeln
Der Deltamuskel zieht den Arm nach oben. Da die Bewegung beim Schulterdrücken vor dem Rumpf stattfindet, ist dabei der vordere Teil des Deltamuskels massgeblich, der die Arme ebenfalls nach vorne zieht. Aber auch der mittlere Teil des Deltamuskels drückt kräftig mit. Dazu ist das Schulterdrücken eine hervorragende Übung, um die Rotatorenmanschette zu kräftigen – das sind die tief liegenden Muskeln, die das Schultergelenk stabilisieren und hauptsächlich für die Rotation der Oberarme sorgen.
Brustmuskeln
Die Schlüsselbeinfasern des Grossen Brustmuskels helfen beim Heben der Arme mit.
Trizeps
Wie bei allen Druckübungen spielt auch beim Schulterdrücken der Trizeps eine Hauptrolle. Er sorgt für die Streckung der Arme.
Nackenmuskulatur
Am Ende der Bewegung müssen die Schultern aktiv nach oben gedrückt werden, denn sonst kann es zu einer Verengung im Schultergelenk kommen („Impingement“). Für diesen „Shrug“ sorgen die Nackenmuskeln, vor allem der obere Teil des Trapezmuskels. Auch der untere und mittlere Teil der „Traps“ werden beim Schulterdrücken trainiert: Sie ziehen die Schultern zurück und sorgen für die herausgestreckte Brust und für die Position der Schulterblätter am Ende der Bewegung.
Rumpfmuskulatur
Die vorderen, seitlichen und tiefliegenden Bauchmuskeln sowie die Muskeln am unteren Rücken werden angespannt, um den Körper zu stabilisieren. Vor allem beim Zurücklehnen vor dem Drücken müssen die Bauchmuskeln isometrisch dagegenhalten.
Schulterdrücken ist eigentlich ganz einfach. Soll man aber beschreiben, wie es korrekt ausgeführt wird, verzweifelt man: Egal, mit welchem Schritt man anfängt, immer scheint es etwas zu geben, was man noch vorher erwähnen sollte.
Also wollen wir uns der Sache ein wenig anders nähern als den anderen Muskelaufbau-Übungen und keine Anleitung in x Schritten geben, sondern einen Text, der der Übung ihre Komplexität lässt. Danach kannst du das Ganze mit den Video-Empfehlungen weiter unten noch einmal Revue passieren lassen und dir den eventuell fehlenden optischen Eindruck verschaffen.
Was macht man?
Beim Schulterdrücken drückt man die Langhantel aus einer Position ungefähr am Schlüsselbein gerade nach oben, bis die Arme gestreckt sind und sich die Hantel über dem Kopf befindet.
Obwohl man beim klassischen Schulterdrücken steht, kommt die Kraft nicht aus den Beinen – die Knie bleiben während der gesamten Bewegung durchgedrückt.
Wer sich die Übung nach dieser ersten Skizze vorstellt, wird sich vermutlich eine Frage stellen:
„Ist da nicht das Kinn im Weg?“
Der Einwand ist völlig richtig. Würde man das Schulterdrücken in einem geraden Stand beginnen, würde es genau aus diesem Grund nicht funktionieren. Entweder man müsste die Stange am Kinn vorbeiführen – keine gerade Linie. Oder man müsste sie nicht nur nach oben, sondern auch ein wenig nach vorne drücken – eine gerade Linie, die aber zu einer Endposition führen würde, in der man eine schwere Stange nicht halten könnte.
Vor dem Drücken zurücklehnen
Deswegen beginnt man das Schulterdrücken nicht gerade, sondern etwas zurückgelehnt. Dafür schiebt man die Hüfte vor. Das verändert alles grundlegend:
- Der Kopf ist nicht mehr im Weg.
- Das Gewicht lastet nun auf der Fussmitte und bleibt dort bis zum Ende der Bewegung.
- Die Unterarme stehen vertikal unter der Hantel, sprich nun stimmt die Biomechanik beim Drücken und die Handgelenke werden nicht überlastet.
- Das Zurücklehnen spannt die Bauchmuskeln, die den Oberkörper zurück nach vorne ziehen. Dieses Federn lässt sich für das Drücken nutzen.
Vielleicht gehen an dieser Stelle bei dir die Alarmglocken an:
„Es ist doch sicher gefährlich, aus dem Hohlkreuz heraus zu drücken! Das kann doch nicht gesund sein!“
Die Bedenken sind verständlich, schliesslich soll man ja bei so ziemlich jeder Übung unbedingt auf einen geraden Rücken achten. Allerdings meint man mit dem Ausdruck „gerader Rücken“ gar nicht einen geraden, sondern einen „neutralen“ Rücken. Und die normale S-Form der Wirbelsäule beinhaltet eine Krümmung nach vorne im Lendenbereich (genannt „Lordose“).
Da wir beim Schulterdrücken nur die Hüfte vorschieben und nicht den Rücken durchdrücken, verändern wir die neutrale Rückenposition höchstens geringfügig. Von einem „Hohlkreuz“ kann damit keine Rede sein.
Beim Zurücklehnen müssen Po, Beine und Bauch darum unbedingt fest angespannt werden. Für weitere Stabilität im Rumpfbereich sorgt das Valsalva-Manöver („Pressatmung“). Diese Zurücklehnbewegung bei angespanntem Rumpf, die nicht aus dem Rücken erfolgt, ist anfangs ungewohnt und muss etwas trainiert werden.
So drückst du
Du stehst also in der Ausgangsposition mit der Hantel vor dem Körper. Spanne Po, Beine und Bauch fest an. Atme tief ein und gegen den geschlossenen Kehlkopf wieder aus, um Druck im Rumpf aufzubauen. Dein Blick ist gerade nach vorne gerichtet und bleibt so während der Übung. Behalte am besten ein und denselben Punkt im Auge.
Nun lehnst du dich wie beschrieben aus der Hüfte heraus zurück und mit dem Zurückfedern aus der Bauchmuskulatur drückst du die Stange gerade nach oben. Sobald sie deinen Kopf passiert hat, gehen Kopf und Rumpf nach vorne. Am Ende der Bewegung, wenn die Arme voll durchgestreckt sind, steht die Hantel genau über deinen Schultergelenken.
Du kannst entweder nun aus- und wieder einatmen, die Stange dann absenken und direkt wieder nach oben drücken, wo du wieder ausatmest. In diesem Fall nutzt du bei den folgenden Wiederholungen den Dehnreflex, was die Übung einfacher macht. Bedenke aber, dass du so weniger Kontrolle über deine Form hast. Die andere Möglichkeit: Du senkst die Stange direkt wieder ab und atmest erst dann aus. Dann atmest du wieder ein und machst die nächste Wiederholung.
Achte beim Hochdrücken und Absenken der Stange darauf, dass diese auf einem geraden Pfad verläuft und so nah wie möglich an deinem Gesicht vorbeigeht, also keine Kurve macht, denn das verschlechtert die Mechanik und damit deine Leistung. Um den Stangenpfad sowie deine Haltung insgesamt zu kontrollieren, bietet es sich an, Videos zu machen oder einen Trainer miteinzubeziehen.
Die Endposition
Kommen wir nun zur „Lockout“-Position am Ende. Die Aufwärtsbewegung endet, wenn die Ellenbogengelenke durchgedrückt und die Schultern mittels der Nackenmuskulatur nach oben gedrückt sind.
Der zweite Punkt ist wichtig, um Schulterverletzung zu vermeiden: Erst das aktive Anheben der Schultern rückt die Schulterblätter in eine Position, in der die Sehnen der Rotatorenmanschette nicht zwischen Oberarmknochen (Humerus) und Schulterdach (Akromion) eingequetscht werden.
Schauen wir uns auch kurz Ellenbogen und Arme an: Von den beiden Unterarmknochen ist die Speiche der kräftigere. Das Gewicht sollte also hauptsächlich auf ihr lasten. Um eine optimale Kraftübertragung von den Schultern bis hin zu den Händen zu gewährleisten, sollten die Speichen anfangs genau senkrecht und genau unter der Stange stehen. Wenn sich die Ellenbogen von der Seite betrachtet ein ganz klein wenig vor der Stange befinden, stehen die Speichen senkrecht.
Um die Ellenbogen vor die Stange zu bringen, müssen die Oberarme nach aussen rotiert und die Schultern etwas angehoben und nach vorne geschoben werden. Diese Bewegung fühlt sich für Übungsneulinge etwas seltsam an. Es hilft, es so anzugehen:
- Ziehe die Schulterblätter zusammen und drück die Brust raus.
- "Lege die Trizepse auf dem Latissimus ab" - d. h. presse die Hinterseiten der Oberarme fest gegen deinen Brustkorb.
- Wenn dazu die Hände die Stange im richtigen Abstand greifen (s. nächsten Abschnitt), hast du die korrekte Unterarmposition.
Im Laufe der Drückbewegung wandern die Ellenbogen dann nach aussen, sprich die Oberarme werden etwas nach innen rotiert. Nur so kannst du die Stange genau über deinen Kopf bringen. Hier unterscheidet sich das Schulterdrücken mit der Langhantel übrigens massgeblich vom Schulterdrücken mit Maschinen: Bei diesen wird die Bewegung meistens in einer Weise geführt, bei der sich die Ellenbogenrichtung nicht ändert. Wer also bisher mit Maschinen trainiert hat, muss sich womöglich erst einmal umgewöhnen.
Wie geht’s überhaupt los?
Jetzt weisst du schon, wie das Schulterdrücken ausgeführt wird, aber noch nicht, wie’s losgeht. Natürlich mit dem Greifen der im Rack liegenden Stange. Diese sollte sich auf Höhe deines Brustbeines befinden, damit du sie sicher und bequem aus dem Rack herausdrücken kannst.
Nun zur korrekten Griffweite: Sie beträgt zwischen 42 und 45 cm (zwischen den Zeigerfingern gemessen). Das heißt, bei einer Standard-Olympia-Stange kannst du dich gut an der Rändelung orientieren: Der Abstand zwischen den Rändelungen ist nämlich auf 42 cm genormt.
Natürlich kannst du die richtige Griffweite auch ohne Rändelung oder Massband finden. Sie ergibt sich aus dem Zusammenspiel deiner Anatomie mit den physikalischen Gegebenheiten beim Schulterdrücken:
- Die Stange sollte strikt vertikal nach oben wandern.
- Das Gewicht der Stange sollte auf deine vertikal stehende Speiche (Radius-Knochen) wirken.
- Deine Handgelenke sollten gerade bleiben.
- Die Hände sollten so nah wie möglich an der Schulter sein.
Beherzigt man diese Dinge, ist die korrekte Griffweite gefunden, wenn
- deine Ellenbogen von der Seite betrachtet ein wenig vor der Stange stehen.
- deine Unterarme von vorne betrachtet vertikal stehen.
- sich deine Hände von vorne betrachtet ein wenig außerhalb der Schultern befinden.
Wie ist der richtige Griff?
Anders als zum Beispiel beim Front-Squat werden die Handgelenke beim Schulterdrücken nicht abgeknickt – schließlich musst du ein relativ hohes Gewicht drücken und brauchst dafür ihre maximale Stabilität. Bedenke das, wenn du die Ellenbogen nach vorne drückst.
Wie dann aber greifen?
- Lege die Handflächen mit abgespreizten Fingern auf die Stange und rücke sie in den richtigen Abstand. Der Daumen liegt unter der Stange.
- Hebe nun die Ellenbogen an und drehe die Unterarme einwärts, sodass die Daumenspitzen zu deinen Füssen zeigen.
- Lege jetzt einfach die Finger auf die Stange und drücke mit den Spitzen fest „in diese hinein“.
- Lasse die Hände, wie sie sind, und bringe die Ellenbogen nach vorne unter die Stange wie oben beschrieben.
Durch dieses Manöver liegt die Stange auf den Lebenslinien in deinen Handflächen (die von den drei dicken Linien in der Hand, die am nächsten am Daumen verläuft) und somit genau über den Unterarmknochen. Die Handgelenke bleiben dadurch gerade und du kannst optimal drücken.
Wie steht man beim Schulterdrücken?
Hast du die Hantel fest im Griff, drückst du sie aus dem Rack. Jetzt gilt es nur noch den richtigen Stand zu finden. Dieser ist gerade mit herausgestreckter Brust: Ziehe die Schultern zurück und streck die Brust raus wie beim Appell.
Die Standweite ist Geschmackssache: Die meisten Athleten wählen ungefähr Schulterbreite. Ein zu enger Stand kann sich negativ auf das Gleichgewicht auswirken, auch wenn das ganz klassische Schulterdrücken mit den Hacken zusammen ausgeführt wurde. Zu breit wird man ohnehin nicht stehen, weil sich das seltsam anfühlen würde. Im Zweifel also etwas breiter stehen.
So, die wichtigsten Aspekte des Schulterdrückens haben wir nun abgehandelt. Zeit, sich das ganze Mal anzuschauen. Wir haben drei Videos für dich ausgewählt:
Im ersten liefert dir Johannes Kwella nochmal eine gute Gesamtbeschreibung, worauf es beim Schulterdrück ankommt. Im zweiten geht Mark Rippetoe (auf Englisch) noch etwas genauer auf Aspekte wie den Griff und das Anheben der Schultern am Ende ein. Und im dritten kannst du dem russischen Gewichtheber Dmitry Klokow dabei zusehen, wie er 162 kg erst vom Boden hochwuchtet und dann ohne Schwung über den Kopf stemmt - nur um mal zu zeigen, wie weit man es bei dieser Disziplin bringen kann.